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Gravelbike oder Rennrad?

Gravelbike oder Rennrad?

23.04.2021 - Update: 14.12.2021



Auf den ersten Blick scheint ein Gravelbike ein Rennrad mit dickeren, profilierten Reifen zu sein, doch dieser Eindruck täuscht. Wir erläutern die Besonderheiten von Gravelbikes und was sie von Rennrädern unterscheidet.

Außerdem erklärt dir Fahrradexperte Rolf Holler vom Radhaus Ingolstadt worauf du beim Kauf eine Gravelbikes achten solltest und welche Kosten auf dich zukommen.

Was bedeutet Gravel?

„Gravel“ lässt sich am ehesten mit „Schotter“ oder „Kies“ übersetzen. Die Idee hinter Gravelbikes ist ganz einfach: Es soll den Aktionsradius über reine Asphaltstrecken hinaus erweitern, aber dennoch flott unterwegs sein.

Das Gravelbike hat zwar Features von Rennrad und Cyclo-Cross-Bike übernommen, ist aber mehr als nur ein Mix aus den beiden. Es unterscheidet sich vom Rennrad in folgenden Punkten:

Reifen

Die profilierten Reifen springen dir bei einem Gravelbike wahrscheinlich als erstes ins Auge. Vom Rennrad kennst du bestimmt schmale Reifen mit geringer Profiltiefe, die auf einen niedrigen Rollwiderstand ausgelegt sind. Die Reifenbreite liegt bei Rennrädern je nach Modell und Einsatz bei 23 bis 28 Millimetern.

Reifen für das Gravelbike sehen vollkommen anders aus. Sie sind wesentlich breiter und weisen ein im Vergleich zum MTB filigranes Stollenprofil auf. Damit laufen Gravelbikes noch immer ruhig und ziemlich zügig über den Asphalt, haben aber auch auf unbefestigten Wegen, also im Wald, auf Schotter oder bei Matsch, den notwendigen Grip.

Klassische Gravel-Reifen, wie die aus der Terra Speed Reihe von Continental, kommen auf 35 bis 40 Millimeter Durchmesser und sind damit wesentlich breiter als Rennradreifen. Dank der größeren Auflagefläche und dem Profil behältst du auch auf nicht asphaltierten Wegen die Kontrolle über dein Bike.

Lenker

Gewicht und Aerodynamik spielen abseits der Straße eine geringere Rolle. Der Faktor Kontrolle rückt beim Gravelbike in den Vordergrund, denn unbefestigte Wege lassen einen Lenker mitunter stark vibrieren.

Insgesamt fällt ein Gravel-Lenker etwas breiter aus als ein Rennradlenker. Breitere Lenker sind vor allem sinnvoll, wenn du hauptsächlich im Gelände unterwegs sein möchtest, da du damit die volle Kontrolle über das Bike hast. Die breitere Körperhaltung sorgt außerdem dafür, dass dein Brustbereich nicht eingeengt wird und du freier atmen kannst.

Eine spezielle Profilierung und rutschfeste Texturen an den Brems- und Schaltgriffen verhindern, dass deine Hände in ruppigen Situationen vom Lenker abrutschen. Der Unterlenker weist einen leichten Flare auf, das bedeutet, dass er breiter als der Oberlenker ausgestellt ist.

Welche Vorteile hat ein Flare? Ganz einfach: Wer weiter nach außen greifen kann, hat mehr Stabilität. Ein Flare am Lenker verschafft dir noch mehr Kontrolle über das Bike, besonders bei nicht asphaltierten Strecken. Je größer der Flare, desto schräger sind auch die Bremsgriffe geneigt. Ein ungewohntes Gefühl – beim Neukauf eines Gravelbikes solltest du deshalb unterschiedliche Ausführungen des Flares probieren.

Komponenten

Die Vielseitigkeit der Gravel Bikes zeigt sich auch bei den verwendeten Schaltungskonzepten. Die Palette reicht vom klassischen Zweifachantrieb über den Einfachantrieb mit MTB-Kassette, bis hin zu kompletten Mountainbike-Antrieben mit Rennradhebeln.

Die GRX-Serie von Shimano wurde von Anfang an für Gravel Bikes konzipiert. Sie beinhaltet unter anderem Einfach- und Zweifachantriebe sowie mechanische und elektrische Schaltsysteme. Egal für welche Ausprägung des Gravel-Sektors du dein Modell ausrüsten möchtest, in der GRX-Serie findest du die passenden Komponenten dafür.

Unser Experte Rolf Holler sagt dir weiter unten im Text, welches Schaltungskonzept ideal für Einsteiger geeignet ist.

Bremsen

Felgen- oder Scheibenbremse? Während sich die Geister aufgrund des höheren Gewichts von Scheibenbremsen bei Rennrädern scheiden, ist die Antwort bei Gravel Bikes völlig klar!

Die Zuverlässigkeit von Scheibenbremsen bei schlechten Witterungsbedingungen, feuchtem Untergrund und Dreck ist unschlagbar. Während die schmalen Felgenbremsen den Wasserfilm auf der Felge erst einmal verdrängen müssen, um greifen zu können, sorgt die größere Flächenpressung bei Scheibenbremsen dafür, dass die Bremse schnell verzögert, das heißt, die Bremsleistung ist größer und der Bremsweg kürzer.

Laut test.de benötigst du außerdem bis zu 20 Prozent weniger Handkraft, um Scheibenbremsen zu bedienen, als du für eine Felgenbremse einsetzen müsstest. Scheibenbremsen sind robust, erfordern kaum Wartung und, falls doch ein Schaden entsteht, lassen sich die Discs zwar nicht ganz so preiswert ersetzen wie Felgenbremsklötzchen, sie sind aber immer noch relativ günstig.

Pedale und Schuhe

Es gibt keine Pedale oder Schuhe, die speziell für die Benutzung von Gravelbikes designt wurden. Da du mit dem Gravelbike aber auch offroad unterwegs sein wirst, bietet sich ein System an, das fürs Gelände gemacht ist.

Shimano hat zum Beispiel das SPD-System im Programm. Die Pedale sind robust, sodass Geröll und Matsch ihnen nichts ausmachen. Die Cleats, die du an der Sohle deines Radschuhs anbringst und mit denen du ihn im Pedal verankerst, sind klein. Kombiniert mit Mountainbikeschuhen, verschwinden sie zwischen den Stollen an deren Sohle, sodass du damit auch gehen kannst - und im Gelände kann es durchaus mal der Fall sein, dass du vom Bike runter und schieben musst.

Radstand und Geometrie

Man sieht es mit bloßem Auge nicht, aber der Radstand eines Gravelbikes ist etwas größer als der eines Rennrads. Unter Radstand versteht man den Abstand der Aufstandspunkte von Vorder- und Hinterrad. Man misst ihn von Achsenmitte zu Achsenmitte.

Durch seinen größeren Radstand hat das Gravelbike einen ruhigeren Geradeauslauf und es fährt sich komfortabler. Laufruhe ist ein wichtiger Punkt, denn das Bike sollte auch bergab auf losem Untergrund kontrollierbar bleiben. Allerdings sollte es gleichzeitig auf kurvigen Strecken wendig sein. Die Geometrie sollte also einen Kompromiss aus beidem darstellen.

Konkret bedeutet das: Das Steuerrohr ist bei Gravelbikes etwas länger als bei Rennrädern. Das Oberrohr fällt vom Steuerrohr in Richtung Sitzrohr oft leicht ab, aus Gründen des Komforts. Der Steuerrohrwinkel fällt bei Gravebikes flacher aus als bei Rennrädern. Der Hinterbau ist etwas länger, um den bereits erwähnten Radstand zu vergrößern und die Fahrt stabiler zu machen.

Drei Fragen an den Bike-Experten Rolf Holler

1) Worauf muss ich beim Kauf eines Gravelbikes achten?

Holler: Zuerst muss ich wissen, für welche Strecken ich das Bike kaufe. Will ich bloß in der kalten Jahreszeit ein bisschen rausfahren, oder möchte ich das ganze Jahr über mit dem Rad sportlich im Gelände unterwegs sein? Wir zeigen dem Kunden, welches Modell sich für seine Ziele eignet.

Als nächstes gilt es, die richtige Größe zu finden. Die passende Überstandshöhe ist besonders wichtig, weil du bei der Fahrt im Gelände eventuell auch mal kleinere Sprünge machst. Die Überstandshöhe wird vom Boden vertikal bis zur Mitte des Oberrohrs gemessen. Sie beschreibt den Abstand zwischen Mensch und Fahrrad.

Auch auf die Auswahl des passenden Schaltsystems solltest du großen Wert legen. Einfachsysteme kommen zum Beispiel Einsteigern sehr entgegen, da sie nur einen Schalthebel bedienen müssen und sich so z. B. besser aufs Gelände konzentrieren können.

2) Welches Budget sollte ich für ein Einsteigermodell einplanen?

Holler: Wer billig kauft, kauft zweimal. Die Kundenzufriedenheit ist am ehesten gegeben, wenn die Freude an einem Rad möglichst lange anhält. Ein stabiler Rahmen und ordentliche Komponenten sind die Voraussetzung dafür. Für 900 bis 1.500 Euro findet man bei uns schon gute Modelle.

3) Was gilt es bei der Instandhaltung zu beachten?

Das Rad sollte vom Kunden regelmäßig gereinigt werden. Wir empfehlen unseren Kunden zusätzlich alle 2.000 bis 4.000 Kilometer einen Service machen zu lassen. Selbst wenn das Rad einwandfrei läuft, sollte es regelmäßig in einer Werkstatt begutachtet werden. Der Verschleiß von Ketten und Ritzel ist ein schleichender Prozess. Wenn man wartet, bis ein Bauteil richtig kaputtgeht, kann es unter Umständen teuer werden.

Wir aus der Bikes.de-Redaktion haben eine große Leidenschaft: Fahrräder. Und diese Leidenschaft wollen wir mit dir teilen. Daher sind wir immer auf der Suche nach neuen, spannenden und relevanten Themen rund ums Rad, die dir Information und Orientierung bieten – und vor allem jede Menge Lust aufs Radfahren machen sollen. Viel Spaß beim Lesen!