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Welche Fahrradsättel gibt es und wie finde ich den richtigen?

Welche Fahrradsättel gibt es und wie fin...

24.04.2021 - Update: 12.05.2022



Der Fahrradsattel ist eine von drei Kontaktstellen zwischen Mensch und Bike. Im Vergleich zu Lenker bzw. Lenkergriffen und Pedalen ist er der größte Kontaktpunkt. Anders als die Sitzfläche eines Stuhls ist er jedoch geradezu winzig. Das stellt die Hersteller von Fahrradsätteln vor eine besondere Herausforderung: Eine Fläche, die ungefähr den Maßen eines Federmäppchens entspricht, muss den Großteil des Fahrergewichts tragen und damit verhältnismäßig viel Druck auf wenig Oberfläche verteilen. 

Fahrradsattel: eine individuelle Sache

Wer sich schon einmal mit schmerzendem Hinterteil vom Fahrrad geschält oder während des Fahrens ein unangenehmes Kribbeln, vielleicht sogar Taubheitsgefühl im Schritt hatte oder auch Rücken- oder Kniebeschwerden bei sich festgestellt hat, der weiß, wie wichtig der richtige Fahrradsattel ist. Und mit „richtig“ ist ein Fahrradsattel gemeint, der bestmöglich passt:

  • zur individuellen Anatomie und Beweglichkeit des Fahrers
  • zur Sitzposition auf dem jeweiligen Fahrrad
  • zum Haupteinsatzbereich des Bikes

„Das Thema Fahrradsattel hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und ist mehr und mehr ins Bewusstsein der Kunden und Fahrradfahrer gerückt“, sagt Astrid Kleemann, Ergonomieberaterin beim Zweiradshop Niederhofer im hessischen Babenhausen.

Kein Wunder, ist doch ein passender Fahrradsattel die Grundvoraussetzung für effizientes und gesundes Radfahren – egal ob beim Profi oder Freizeitfahrer. Denn es wirkt sich direkt auf die Leistung aus, wie komfortabel der Fahrer auf dem Sattel sitzt.

Zwickt es, drückt es oder schmerzt es, führt das zu einer (unbewussten) Schutzhaltung, und diese wiederum zu Verspannungen, die Energie verbrauchen, die eigentlich für den Vortrieb nötig wäre.

Ein Argument, das nicht nur für sportlich Ambitionierte von Bedeutung ist. Denn selbst, wenn es auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder auf der gemütlichen Wochenendtour nicht um (maximale) Geschwindigkeit geht, dürfte es sich jeder zweimal überlegen, ob er oder sie wirklich das Fahrrad nehmen oder noch ein paar Kilometer dranhängen soll, wenn das gleichbedeutend ist mit Unwohlsein und Schmerzen.

Wenn es kribbelt und taub wird, ist es der falsche Sattel

Unangenehmem Druck auf die Sitzhöcker, also den beiden Knochenvorsprüngen am Becken, die du auch spüren kannst, wenn du auf einem harten Stuhl sitzt, lässt sich vielleicht noch mit Zähnen zusammenbeißen und auf den Gewöhnungseffekt hoffen beikommen. Gesundheitlich gefährlich wird es aber spätestens dann, wenn der Sattel Nerven oder Blutgefäße abdrückt. 

„Spezielle Nerven, Fasern und Gefäße im Dammbereich des Mannes sind für die Erektion verantwortlich. Werden diese über einen längeren Zeitraum wiederholt schlecht durchblutet oder komprimiert, kann dies zu einer Verminderung der sexuellen Leistungsfähigkeit führen“, warnt beispielsweise SQLab, ein Hersteller von ergonomischen Fahrradsätteln, auf seiner Webseite. Eine Aussage, die verschiedene Studien unterstützen.

Dass Nerven und Gefäße gequetscht werden, ist umso wahrscheinlicher, je flacher die Sitzposition und je weiter nach vorn das Becken des Fahrers gekippt ist. Ein erstes Warnzeichen dafür sind Taubheitsgefühle. Und die können auch bei Frauen auftreten.

Die Position auf dem Fahrradsattel: mitentscheidend für die Sattelwahl

Idealerweise liegt auf den Beckenknochen die größte Last beim Radfahren (60 bis 70 Prozent), denn dort verlaufen keine großen Nervenbahnen und die knöchernen Sitzbeinhöcker sind recht widerstandsfähig. Zudem geht am Becken die Antriebsbewegung los, die kraftvoll und reibungslos erfolgen sollte. 

„Passt der Sattel so zu meinem Becken und meiner Sitzphysiognomie wie zwei Puzzleteile zusammenpassen, ist er für mich gut“, erklärt Ergonomie-Expertin Astrid Kleemann. Die nach vorn verlaufenden Schambeinäste sollten die restliche Belastung tragen (30 bis 40 Prozent), um den Druck bestmöglich zu verteilen und den Fahrer stabil auf dem Fahrradsattel zu positionieren.

Lastet zu viel Gewicht auf den Sitzbeinhöckern, wird die Sitzposition leicht instabil, was sich in einer Wippbewegung beim Treten manifestiert. Belastet der Fahrer die vordere Sitzpartie zu sehr, geht das auf Kosten der sensiblen Strukturen dort. 

Häufige Problemverursacher: Form und Polsterung

„Ob ein Sattel gut ist für mich, hängt von seiner Form ab. Er muss mir einen stabilen Sitz und gleichzeitig eine dynamische Oberschenkelrotation ermöglichen“, sagt Astrid Kleemann. 

Ist der Fahrradsattel zu schmal, kann das zu hohen Druck auf das empfindliche Steißbein verursachen, das eigentlich gar nicht mit dem Sattel in Kontakt kommen sollte, da die Sitzbeinhöcker an der zu schmalen Fläche seitlich „abrutschen“. 

Das ist besonders oft der Fall bei Frauen, da deren Steißbein laut SQLab beweglicher und oft empfindlicher ist als das männliche – und auch eine sehr aufrechte Sitzposition kann das Steißbein sehr nah an die Satteloberfläche bringen.

Es mag widersinnig klingen, aber eine harte Sattelpolsterung ist in den meisten Fällen komfortabler als eine weiche. Umso mehr, je länger du unterwegs bist. „Für Kurzstreckenfahrten sind auch weiche Sättel nutzbar, bei längerer sportiver Nutzung ist eine strammere Polsterung sinnvoller“, bestätigt Expertin Kleemann. 

Der Grund dafür ist, dass auf einer weichen Polsterung die Sitzknochen absinken, das passiert im Schnitt nach einer halben Stunde bis 45 Minuten im Sattel und macht sich durch einen dumpfen Druckschmerz bemerkbar. 

Die „eingesunkene“ Sitzposition reize die sich dort befindlichen Sehnen- und Muskelansätze, so SQLab, und belaste beim Mann den Dammbereich, bei der Frau den Schambeinbogen mehr als es angenehm und gesund ist.

So findest du den perfekten Fahrradsattel

Wer sich einmal mit dem Kauf eines neuen Fahrradsattels beschäftigt hat, der weiß: Es gibt unzählige verschiedene Modelle, die sich teilweise nur in Details, manchmal in der gesamten Optik (drastisch) und oftmals im Preis stark unterscheiden. Das kommt nicht von ungefähr: 

„Die unterschiedliche Form und Polsterung der Sättel, zum Beispiel für Rennrad oder Cityrad, liegt an der Sitzposition des jeweiligen Fahrers und an der Anforderung an den Sattel bezüglich der Belastung, das heißt, der Zeit des Fahrers nonstop im Sattel“, erläutert Astrid Kleemann.

Was auf den ersten Blick nach verwirrendem Dickicht aussieht, entpuppt sich mit etwas Hintergrundwissen als echte Chance: Denn wo es viel Auswahl gibt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, genau den passenden Fahrradsattel für die eigenen Bedürfnisse zu finden.

Gleich vorab: Ums Ausprobieren kommst du nicht herum. Um die Menge an Fahrradsätteln, die für dich infrage kommen, im Vorhinein schon ein wenig einzugrenzen, gibt es aber auch ein paar Tipps und Möglichkeiten.

Den Abstand der Sitzbeinknochen messen 

Um die richtige Sattelbreite grob zu bestimmen, kannst du den Abstand deiner Sitzbeinhöcker messen (lassen). 

  • Besorge dir dazu ein Stück Wellpappe, lege es auf eine harte Oberfläche.
  • Setze dich darauf und ziehe dich mit den Händen einmal kurz und kraftvoll nach unten, um einen Abdruck zu generieren. 
  • Umkreise die beiden so entstandenen Mulden in der Pappe mit einem Stift und markiere deren jeweiligen Mittelpunkt.
  • Miss den Abstand von Mittelpunkt zu Mittelpunkt. Das ist dein ungefährer Sitzknochenabstand. 

Die Sitzfläche deines Fahrradsattels sollte etwas breiter sein, bei SQLab addierst du je nach Sitzposition einen (Rennrad) bis vier (Hollandrad) Zentimeter. Der Fahrradsattel kann also umso schmaler sein, je flacher du sitzt, da dann die Sitzbeinhöcker immer weniger Sattelkontakt haben.

Achtung: Entscheidend ist die effektive Sattelbreite, also die gerade Sitzfläche, nicht die Gesamtsitzfläche inklusive der abfallenden Seitenbereiche.

Fahrradsattel-Test beim Profi machen lassen

Manche Radhändler haben auch spezielle Polster, um den Sitzknochenabstand zu bestimmen. Dieser ist jedoch nicht das alleinige Kriterium. „Um den passenden Sattel zu finden, muss man neben dem Sitzknochenabstand auch den Verlauf der Schambeinkufen, die Muskelansätze am Becken, Steißbein und eventuelle weitere Besonderheiten wie einen Beckenschiefstand oder Blockaden im IS-Gelenk berücksichtigen“, erklärt Sattelfachfrau Astrid Kleemann und führt aus: „Aus diesem Grund ist die Ermittlung des passenden Sattels, wenn man es richtig machen möchte, auch ein komplexes Thema und bedarf professioneller Messmethoden.“

Das heißt beim Zweiradshop Niederhofer, dass der Kunde verschiedene Fahrradsättel vor Ort Probe fährt, entweder auf einem Physiotherameter oder dem eigenen Rad auf der Rolle – ergänzt um eine Satteldruckmessung mittels Druckmessfolie. So ist es möglich, die Druckverteilung auf dem Sattel in Bewegung zu ermitteln. Das genügt in den meisten Fällen, um den passenden Sattel zu bestimmen.

Hat man dann einen potenziell passenden Kandidaten, geht es ans Einfahren in der Praxis. Das sollte sechs bis acht Ausfahrten von ungefähr einer bis eineinhalb Stunden umfassen, um einen guten Eindruck zu bekommen, ob Sattel und Fahrer wirklich zueinander passen, rät Astrid Kleemann. 

Denn erst nach einer gewissen Zeit ermüden die körpereigenen Haltestrukturen, sodass du die Sitzposition einnimmst, die schlussendlich dann über „gemütlich“ oder „ungemütlich“ entscheidet. Nutzt du das Fahrrad grundsätzlich nur für kurze Wege, kannst du das Einfahren verknappen, schließlich wirst du dann nie in eine „Ermüdungssituation“ kommen. 

Tipp: Viele Radläden bieten eine Rücknahmegarantie, wenn der Fahrradsattel sich nach einigen Ausfahren als doch nicht passend herausstellen sollte. Erkundige dich vor dem Kauf danach.

Welcher Fahrradsattel passt zu welchem Fahrertyp?

Es gibt verschiedene Kategorien von Satteltypen. Nachstehend findest du die am häufigsten vorkommenden und eine kurze Beschreibung, was sie können sollen und für wen sie gemacht sind. Damit kannst du eingrenzen, welche Sattelvariante für dich richtig sein könnte.

  • Klassischer Fahrradsattel : Er hat eine durchgehende Sitzfläche und die typische Sattelform, die einer Birne ähnelt (hinten dick, vorn schmaler). Solche Sättel sind meist breit und vergleichsweise voluminös.
    Sie finden sich oft auf Holland-Fahrrädern oder City-Rädern sowie E-Bikes für die Stadt, also solchen Bikes, auf denen du eher aufrecht sitzt. Oft sind sie etwas weicher bis besonders weich gepolstert. Form und Padding, das manchmal auch aus Gelkissen besteht, gehen in Ordnung, da du damit meist nicht sehr lange unterwegs bist.
    Auf kurzen Strecken sinken die Sitzbeinhöcker nicht ein und es entstehen normalerweise auch keine Scheuerstellen an den Oberschenkelinnenseiten, wenn diese beim Treten an den Seiten der breiten Sattelfront reiben.
  • Sattel mit Loch oder Vertiefung : Diese haben ebenfalls eine klassische Form mit Nase, allerdings befindet sich in der Mitte der Sitzfläche eine Mulde oder ein Loch. Solche Sättel variieren in puncto Polsterung und Breite – je nachdem, für welchen Einsatzzweck (Rennrad, Trekkingrad, E-Bike etc.) sie gemacht sind.
    Lochsätteln liegt die Idee zugrunde, den Druck auf den Dammbereich dadurch zu reduzieren, indem man das Material weglässt, das drücken könnte.
    Klingt logisch, allerdings sind die Kanten um die Aussparung herum oft härter und es können dort Druckspitzen entstehen. Probiere diese Variante aber ruhig einmal aus, vor allem, wenn du etwas sportlicher unterwegs bist. Viele Radfahrer kommen sehr gut damit zurecht.
    Bei Sätteln mit Vertiefung ist der Übergang von Sitzfläche zu Mulde häufig flacher und weniger kantig. Die Vertiefung soll Druckspitzen reduzieren und den Druck besser über die gesamte Sattelfläche verteilen. Wem das Lochprinzip gefällt, aber damit nicht zurechtkommt, kann diese Variante einmal ausprobieren.
  • Spezialsättel : Darunter fallen zum Beispiel Fahrradsättel fürs Zeitfahren oder den Triathlon. Beides sind Disziplinen, bei denen der Athlet so flach und mit so weit nach vorn gekipptem Becken auf dem Fahrrad sitzt (oder sitzen sollte), dass die Sitzbeinhöcker kaum noch Gewicht tragen und selbiges stark nach vorn verlagert ist.
    Das heißt, der vordere Dammbereich braucht Entlastung, um keine Taubheitsgefühle aufkommen zu lassen – bei einem Langdistanz-Triathlon sind die Sportler immerhin 180 Kilometer auf dem Bike unterwegs! Da Luft nicht drücken kann, gibt es zum Beispiel Modelle ganz ohne Sattelnase. Andere Hersteller wiederum versuchen, den Sitzkomfort zu erhöhen und den Druck zu verteilen, indem sie die Nase kappen und verbreitern oder spalten.
    Dadurch soll sich die Fläche vergrößern. Zudem soll eine in zwei Hälften gespaltene Sattelnase flexibler sein und die Beckenbewegung beim Treten besser mitgehen können, was ebenfalls den Druck reduzieren soll. Fast allen Spezialsätteln ist gemein, dass sie nur minimal gepolstert sind.

Brauchen Frauen andere Sättel als Männer?

Es gibt verschiedene Fahrradsättel speziell für Frauen auf dem Markt. Was sie von denen für Herren unterscheidet, sind im schlechtesten Fall ein Blümchenaufdruck und eine pastellige Farbe. 

Im besten Fall geht der Sattel von seiner Konstruktion her auf die anatomischen Besonderheiten der Frau ein, das heißt, ein im Schnitt etwas breiteres Becken und eine niedrigere Schambeinfuge, die früher in Kontakt mit dem Fahrradsattel kommen und Schmerzen verursachen kann. Das kann die richtige Wahl sein... oder auch nicht.

Denn ein Muss sind spezielle Frauen-Sättel nicht. Es gibt viele Radfahrerinnen, die mit Herren-Sätteln oder Unisex-Modellen ganz wunderbar zurechtkommen. Was zählt, ist am Ende nicht, was draufsteht, sondern die Ergonomie, also, ob Sattel und Fahrerin zusammenpassen.

So montierst du einen Sattel richtig

Die Grundeinstellung deines Sattels kannst du theoretisch selbst vornehmen. Besser ist es jedoch, das einen Profi machen zu lassen.

„Die Sattelmontage ist etwas für den Fachmann, denn es gibt hinsichtlich Höhe, Neigung und Versatz bzw. Nachsitz die richtigen Werte zu montieren. Dies hat eine ganz erhebliche Auswirkung auf die Sitzposition und das Kniegelenk“, sagt Fahrradfachfrau Astrid Kleemann. 

Nimm deshalb zum Sattelkauf am besten dein Bike mit und bitte den Fahrradhändler, den neuen Sattel gleich zu montieren. Oder buche einen Termin beim Bikefitter. Der macht nicht nur die Sattelfeineinstellung, sondern kann auch gleich prüfen, ob deine Sitzposition im Ganzen in Ordnung ist – damit du lange Freude am neuen Fahrradsattel und am Radfahren hast.

Wir aus der Bikes.de-Redaktion haben eine große Leidenschaft: Fahrräder. Und diese Leidenschaft wollen wir mit dir teilen. Daher sind wir immer auf der Suche nach neuen, spannenden und relevanten Themen rund ums Rad, die dir Information und Orientierung bieten – und vor allem jede Menge Lust aufs Radfahren machen sollen. Viel Spaß beim Lesen!